Rotiert eine einseitig gelagerte dünne Welle mit einer Drehzahl mit welche gleich der Biegeeigenfrequenz der Welle ist, so führt dies zu einer Resonanz. Hierbei können an der Welle unzulässig hohe Verformungen, unter Umständen bis zur Zerstörung des Bauteils, auftreten.
Es muß wohl so im Jahr 1991 gewesen sein. Im Dachgeschoß der Rollstraße 46 hatten sich, wie so oft, einige Clausthaler Ingenieurstudenten zu einem gemeinsamen Abendessen versammelt. Nach einem guten Hauptgericht beschloß man, wie so oft, daß jetzt ein kleines Dessert nicht schaden könnte. Eine Sichtung der vorhandenen Vorräte förderte eine Packung Schokoladencremepulver und einen Liter Milch zu Tage. So weit, so gut - allerdings gab es hier ein Problem: um die Schokoladencreme zuzubereiten, brauchte man einen Mixer, und so ein Luxus war in Stefans Haushalt nicht vorhanden. Doch wozu ist man angehender Ingenieur? Daß man zum Mixen einen Mixer braucht, ist eine reine Vorfixierung; die Teilaufgabe "Erzeugen einer Drehbewegung" kann genausogut mit einer elektrischen Bohrmaschine gelöst werden (welche in einem Ingenieurshaushalt selbstverständlich vorhanden ist), und für die Teilaufgabe "Einleiten der Drehbewegung in das Mischgut" fand das suchende Ingenieursauge das geeignete Konstruktionselement in der Schublade des Küchenbuffets, in Gestalt eines metallenen Schaschlikspießes mit einer Öse am Ende. Die Bohrmaschine angeschlossen, den Schaschlikspieß ins Bohrfutter eingespannt, und schon war der Mixer fertig.
Um dem skeptischen Fachpublikum zu demonstrieren, wie gut seine Konstruktion funktionierte, rührte Stefan mit dem Schaschlikspieß in einer leeren Plastikschüssel herum - zunächst langsam, dann immer schneller. (Natürlich war Stefans Bohrmaschine eine von den guten mit regelbarer Drehzahl.) Rotiert nun aber eine einseitig gelagerte dünne Welle mit einer Drehzahl welche gleich der Biegeeigenfrequenz der Welle ist... jedenfalls tat es auf einmal einen gewaltigen Hieb, der Schaschlikspieß wies kurz über dem Spannfutter einen Knick von etwa 90 Grad auf, die Schüssel hatte ein Loch, und Stefan mußte feststellen, daß die biegekritische Drehzahl keinesfalls eine Erfindung von Professor Behr war, sondern bittere Realität.
Aber schließlich hatte uns Professor Behr in der Vorlesung "Technische Mechanik" nicht nur von der Existenz der biegekritischen Drehzahl erzählt, sondern uns auch beigebracht, wie man dieses unliebsame Phänomen beherrschen kann: wenn man den gefährlichen Drehzahlbereich nur schnell genug durchfährt, bleiben die Schwingungsamplituden im zulässigen Bereich, und bei höheren Drehzahlen läuft die Welle wieder ruhig. Also wurde aus der Schublade ein zweiter Schaschlikspieß entnommen, die Schüssel mit einem Streifen des bewährten olivgrünen Allzweckbandes Marke Nichiban (besser bekannt unter dem Namen "Panzerband") fachgerecht repariert, und es konnte ein neuer Versuch gestartet werden. Die Schüssel wurde mit Milch und Schokocremepulver gefüllt, Stefan brachte die Bohrmaschine auf Drehzahl - und zwar dieses Mal so schnell wie möglich - und es funktionierte! Die biegekritische Drehzahl wurde mit einem leichten Rütteln durchfahren, und danach lief Stefans Mixer sahneweich und ruhig wie eine Eins. Bald hatte die Schokoladencreme die gewünschte cremige Konsistenz angenommen, und Stefan ließ den Schalter der Bohrmaschine los.
Allein... das Abbremsen einer Bohrmaschine geht deutlich langsamer als das Beschleunigen...
Die Schüssel überlebte diesmal ohne weitere Schäden, da der Einschlag durch die Schokoladencreme gedämpft wurde. Dafür wurde der Schüsselinhalt aber explosionsartig in alle Richtungen verteilt und landete in den Gesichtern und auf den Klamotten von Stefan und den übrigen Anwesenden, die sich schon erwartungsvoll um die Schüssel versammelt hatten. Auch die Kücheneinrichtung und selbst die Decke bekamen noch einen ordentlichen Teil ab. Da jetzt sowieso schon alles egal war, griff sich jeder einen Löffel und löffelte das, was von dem Dessert noch übrig war, direkt aus der Plastikschüssel.
Diese Begebenheit lehrte uns drei Dinge: